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Das Imperium des Westens

Rhiel

Die zweite Kurzgeschichte zu Rhiel ist eine Rede von Calvus Flasyra, dem ersten Zeron von Rhiel. 512 Jahre nach der Aszendentenherrschaft, kurz nach dem erfolgreichen Unabhängigkeitskrieg Rhiels gegen die Hegemonie des Ostens, legte diese den Grundstein für die Ideologie des westlichen Imperiums.

Stärke

Des Imperiums Pflicht

Es ist die Definition von Stärke, welche meine Schüler umtreibt. Viele denken nur an den Kampf, wenige an den Geist. Sie haben ihre Aufgabe als zukünftige Duellanten im Sinn, vergessen aber als Verteidiger Rhiels das Wesentliche. Natürlich haben die jungen Burschen recht, wenn sie davon ausgehen, dass Gewalt im Zweifel über alle anderen Methoden erhaben ist. Besonders dann, wenn man einen Blick über die Grenzen des Westens wirft und begreift, welchen Werten die Hegemonialmacht des Ostens und die Exklave des Nordens frönen.

Es ist die Tatsache, dass für uns Stärke ein Wert an sich ist. Er bedingt unser Handeln und speist sich aus vielen anderen Werten. Aus Werten wie Disziplin, Leidenschaft, Beharrlichkeit, genauso Pflichtbewusstsein und Treue – aber auch Loyalität. Viele dieser Begriffe decken sich, aber im Detail unterscheiden sie sich. Und doch ergeben Sie ein gemeinsames Bild, formieren sich im Angesicht der Notwendigkeit, der sich Rhiel ausgesetzt sieht, zu einem unumstößlichen Dogma:

Wir brauchen Stärke zur Disziplin, damit unser Handeln routiniert und effizient wird. Am besten wirkt Disziplin in der Verknüpfung mit Leidenschaft, – wobei es auch einiger Stärke bedarf, ihrer Herr zu werden. Dann kommt Beharrlichkeit: Sie ist der Schlüssel für die Balance, welche das Fundament aller Entscheidungen zu sein hat. Zuletzt und am wichtigsten: das Pflichtbewusstsein, das sich paart mit Treue und Loyalität. Dies sind die Prämissen der Handlungsoption. Sie haben stets des dem Wohlergehen des Volkes und der Wahrung unserer Werte zu dienen – dem Imperium zu dienen.

Dieses Dogma soll euch in eurer Ausbildung leiten – es soll das Credo der Regierenden sein. Es ist der Kern der rhielianischen Identität, stärkt den traditionellen Zusammenhalt der westlichen Zerer unter einem Banner und dient dem erklärten Ziel unserer Souveränität und Beständigkeit. Dennoch dürfen wie nie vergessen, dass dieses Dogma, welches Stärke zur absoluten Balance im Handeln voraussetzt, ein der Realität fernes Konstrukt ist. Selbst wenn ein Anführer diese Qualität erreicht, so ist er, wie auch diese gesamte Philosophie selbst, der zeitlichen Erosion unterworfen. Entweder entwickelt sich dieses Credo, und damit unsere Gesellschaft, weiter, oder aber sie bleibt stehen, zerfällt und verliert ihre Bedeutung – fällt zurück, schlimmstenfalls unter das Joch der Hegemonie des Ostens.

All unser Tun hat Konsequenzen. Jede Aktion forciert eine Reaktion. Jede Reaktion ist eine Aktion, denn: selbst nichts zu tun ist eine Vorgehensweise – kann Teil einer Strategie sein. Zu welcher Aktion auch immer die Regierenden sich entschließen: Ihre Entscheidungen müssen strategischer Natur sein, wobei Strategien auf Taktiken und Methoden fußen, die im Widerstreit mit den Werten und Bedürfnissen der Zeit stehen können, dies jedoch möglichst nicht sollen. Darüber allerdings befindet das Gefüge der Kausalitäten. Die sich aus ihnen ergebende, brachiale Realität, deren Bewältigung konsequente, oft schwere Entscheidungen erfordert. Daher ist eine unseren Idealen absolut treue Regierung eine Illusion.

In Anbetracht unserer jüngsten Geschichte wird Rhiel ein lang anhaltendes und ausgeprägtes Sicherheitsbedürfnis haben. Beständigkeit und Souveränität sichert man aber nicht allein mit Papier. Es ist das Eisen, das folgt, sollte gegen einen Vertrag verstoßen worden sein. Es ist das Versprechen von Gewalt und die Möglichkeit ihrer Abwendung, die der Diplomatie ihre Integrität verleiht und daher moralisch als auch ökonomisch andere Methoden überragt. Gleichwohl, und damit schließt sich der Kreis, haben meine Schüler erkannt, dass Gewalt im Zweifel erhaben ist, dass unsere Handlungsfähigkeit zugleich Sicherheit ist. Entsprechend erklärt sich die Bedeutung von Stärke für unser Volk und deren Rolle in unserer Gesellschaft.

Doch besteht unsere Gesellschaft aus weit mehr als bloß dem Militär. Es besteht auch aus Handwerkern, Gelehrten, Bauern und dem Adel. Aus Kaufleuten und dem Bürgertum, das besonders in der Hauptstadt zu Hause ist und die Zukunft unseres Staates entscheidend mittragen wird. Denn ich bin sicher, dass die Beziehungen zu Tycos sich bald normalisieren, der Handel wieder florieren wird. Wenngleich ich einen Unterschied zwischen diesen Gruppen artikuliert habe; wenngleich das Dogma im ersten Moment nur auf die Kaste der Duellanten Anwendung findet, so möchte ich umso mehr dazu anhalten, den Horizont zu erweitern.

Wir brauchen Stärke zur Disziplin, damit unser Handeln routiniert und effizient wird.

Damit ein gutes Ergebnis im Alltag und der Arbeit, egal ob vom Bauern oder Adeligen, Handwerker oder Akademiker erreicht werden kann. Denn jeder trägt seinen Teil zum Funktionieren des gesellschaftlichen Konstrukts bei, übernimmt Verantwortung und ermöglicht das Geben und Nehmen. Dies ermöglicht Harmonie, sofern alles dem Ausgleich und der Fairness unterliegt, und ist somit Garant für Frieden und Wohlstand.

Am besten wirkt Disziplin in der Verknüpfung mit Leidenschaft, wobei es auch einiger Stärke bedarf, ihrer Herr zu werden.

Damit die freie Wahl des gesellschaftlichen Wirkens je nach Eignung und Präferenz gewährleistet wird, sodass unsere Aufgaben ihre Lösung finden. Sodass diese gern und damit gut angegangen werden. Damit notwendige Pflichten zur Erhaltung der Gesellschaft – selbst wenn sie der Leidenschaft entgegenstehen – akzeptiert werden. Denn nur unter der Prämisse einer Freiheit, die mit den Pflichten der Gesellschaft vereinbar ist, kann die Debatte über gesellschaftliche Ambitionen zielführend sein. Und nur wenn wir ein starkes Rückgrat haben, um andere Positionen zu akzeptieren, können Kompromisse gefunden und unser Frieden mit den Akteuren jenseits der Grenzen des Westens gewahrt werden – was schließlich Interventionen außerhalb unseres Machtbereiches ausschließt.

Beharrlichkeit: Sie ist der Schlüssel für die Balance, welche das Fundament aller Entscheidungen zu sein hat.

Damit es sachliche Urteile gemäß Gesetzen und Regeln – eine unabhängige Justiz – gibt. Es braucht ein ungeheures Maß an Stärke, nicht der Barbarei zu verfallen, stattdessen selbst mit den Schlimmsten in Würde umzugehen. Entsprechend stützen wir die Forderung eines globalen Justiztriumvirats. Aber auch im Alltag, der Arbeit und dem Leben sollen Entscheidungen auf Basis fundierter Argumentation getroffen werden – stets im Sinne von Fairness und Harmonie.

Zuletzt und am wichtigsten: das Pflichtbewusstsein, das sich paart mit Treue und Loyalität. Dies sind die Prämissen der Handlungsoption. Sie haben stets dem Wohlergehen des Volkes und der Wahrung unserer Werte zu dienen – dem Imperium zu dienen.

Loyalität zum Staat bedeutet Loyalität zum Volk. Somit auch Loyalität zu jedem Mitglied unserer Gesellschaft. Es ist das Versprechen, die eigenen Taten und Erzeugnisse in bestem Wissen und Gewissen vor der Gemeinschaft zu verantworten und gemeinsam mehr zu erreichen, statt gegeneinander zu arbeiten. Niemand soll gegen seinen Nächsten oder gegen das uns alle tragende Staatskonstrukt arbeiten, stattdessen sollen wir alle uns konstruktiv in das Konstrukt einbringen. Dies gebietet die Pflicht, genauso die Treue – Werte, die es zu wahren gilt gemäß unserer Tradition, die stets offen für die Gefüge der Zeit sein muss.

Dies sind die Axiome der Stärke Rhiels – meine Worte, die das Fundament dieses Imperiums beschreiben, dessen Existenzrecht ich und meine Brüder mit Feuer, Blut und Eisen erkämpften. Dies sind die Worte des Phönix, der aus der Asche erstieg und die Nacht erhellte, den Himmel in Flammen tauchte und über unsere Besatzer hinwegfegte. Dies sind die Worte des ersten Zeron von Rhiel.

gez.

Calvus Flasyra
I. Zeron von Rhiel, 512 n. A.
Asure der flammenden Klingen

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